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25.November 2013: Kinderheilkunde Dermatitis artefacta
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Dr. B. Kinder- und Jugendarzt berichtet: Mir wurde vor einer Woche ein 10-jähriges Mädchen vorgestellt,
das vor 3 Monaten erstmals eine erythematöse nur leicht nässende und verschorfende Effloreszenz am Kinn entwickelte.
Es kam zwischendurch zu einer Abheilung mit zwei folgenden "Schüben".
In den letzten 4-5 Wochen entwickeln sich fast täglich neue Effloreszenzen ausschließlich im Gesichtsbereich. Das Kind ist
im Allgemeinbefinden nicht beeinträchtigt und hat keinen Juckreiz und war bisher gesund. Der Vater (Kollege) beschreibt,
dass die Effloreszenzen innerhalb ganz kurzer Zeit (Minuten!) entstehen.
Die Patientin wurde bereits bei mehreren Dermatologen u.a. auch in Universitätshautklinik vorgestellt.
Unter der Verdachtsdiagnose einer Impetigo erfolgten bisher dreimalig eine systemische Antibiotika-Therapie: die ersten beiden Male mit Cefuroxim-Saft,
danach mit Ciprofloxacin bis zum Zeitpunkt der Vorstellung. Lokal
wurden mehrere Antiseptika, lokale Antibiotika und kurzzeitig auch Fucicort appliziert. Zweimalig wurden Hautabstriche gemacht
mit Nachweis von koag. neg. Staph., Escherichia vulnaris und Pseudomonas sp.,sensibel auf Ciprofloxacin. Die Effloreszensen
heilen mit Narben und einer Depigmentierung ab (siehe Bild 7). Keine der Therapien hatte irgendeinen Erfolg bisher gezeigt.
Das Bild 9 zeigt den aktuellen Zustand und ist heute Abend innerhalb von Minuten unter Therapie mit Ciprofloxacin entstanden.
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In einem längeren Gespräch mit den Eltern und später auch allein mit der Patientin
habe ich davon gesprochen, dass auch in unserem pädiatrischen Forum dieser Fall besprochen wurde und der dringende Verdacht auf eine
artifzielle Dermatose geäußert wurde. Beide Eltern haben dies akzeptiert,wobei die Mutter mir allerdings berichtete, dass
eine Effloreszenz in ihrem Dabeisein mit ihrer Tochter auf dem Sofa entstanden sei(?). Mit der Tochter hatte
ich danach ebenfalls ein sehr langes Gespräch. Ich habe ihr unter anderem erkärt, dass wir keine Ursache
für eine "Hauterkrankrankung" finden können, aber davon ausgehen müssen, dass durch eine Irritation von außen
die Haut geschädigt wird und sie gefragt, ob sie eine Idee hat, durch was dies verursacht sein könnte.
Dabei
habe ich eine ganze Reihe von Möglichkeiten angeboten. Sie hat mehrfach gesagt, dass sie keine Idee hat,
wie diese entstanden sein könnten. Für mich war bei diesem Gespräch bei B. wenig Leidensdruck erkennbar. Sie hatte nach
Aussagen der Eltern auch bisher kein Problem damit, in die Schule zu gehen und wird von ihren Mitschülern
eher bemitleidet und nicht gehänselt. Sie hat aber versichert, dass es ihr größter Wunsch sei, dass ihre Haut
wieder gesund wird.
Wir haben vereinbart, dass sie sich in den nächsten Tagen nochmals Gedanken macht, wie es zu diesen Läsionen
kommen könnte und werde nächste Woche nochmals einen Termin mit ihr haben. Danach werden wir über den
weiteren Weg entscheiden.
Noch am selben Abend des stattgehabten Eltern- und Patienten-Gespräches habe die Patientin ihrer Mutter unter
Tränen gestanden, dass die Hautläsionen von ihr durch Reiben mit einen Radiergummi hervorgerufen wurden.
Ich selbst hatte am nächsten Tag noch einmal ein Telefonat
mit der Patientin. Sie erschien sehr erleichert und hat mir
freudig erzählt, dass die Läsionen abheilen und keine neuen aufgetreten sind. Mir gegenüber hat sie nichts
über ihre Manipulaitionen berichtet.
Die Eltern werden in den nächsten Tagen noch psychologische Hilfe in Anspruch nehmen.
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Epikrise: Die gezeigten Effloreszenzen im Gesicht -und nur dort- lenkten frühzeitig den Verdacht auf eine selbstverletzende
Manipulation hin. Natürlich waren auch die frustranen bisherigen Therapiebemühungen diagnoseerleichternd. Immerhin mussten neben der
geäußerten Diagnose impetigo contagiosa auch andere bullöse Erkrankungen in Erwägung gezogen werden. Auch toxische Hautreaktionen
auf photoallergene Pflanzen waren in den noch letztverbliebenen Spätsommertagen zu bedenken. Die zur Schau offen getragenen Wundmale, die nur auf das Gesicht
sich beschränkten, führten doch dann bald zur richtigen Diagnose,dem schwerwiegenden Symptom einer tiefergehenden und
ernsten behandungsbedürftigen psychischen Störung.
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